Waschkeller

Der Steinfelder Waschkeller sucht weit und breit seinesgleichen

Geschrieben von Dr. Hans Schönmann

Man mag es gar nicht glauben: Das Dorf Steinfeld auf der ansonsten niederschlags- und wasserarmen Marktheidenfelder Platte besaß bis zur Verlegung der Wasserleitung im Jahr 1921 insgesammt 12 öffentliche Brunnen, wo die Bürger auf kurzen Wegen ihr Trinkwasser holen konnten. Damit erreichte Steinfeld zahlenmäßig soger die grund-und quellwasserreichste Gemeinde des Spessarts, Lohrhaupten, die bis zum Bau der Wasserleitung im Jahr 1905 ebenfalls 12 öffentliche Brunnen vorweisen konnte und sich stolz das "Dorf der Quellen" nannte. Wenn man jedoch in Steinfeld noch die zwei Quellen im Waschkeller, den Seitenbrunnen sowie die vielen privaten Haus-und Kellerbrunnen hinzu zählt, übertreffen die Steinfelder sogar noch die Lohrhauptener.

Die Erklärung für diese natürliche Gunst sind geologische Gegebenheiten und die Lage im Relief der Landschaft. das Dorf befindet sich im Zentrum einer großen schüsselförmigen Mulde (fachlich Synklinale). Von allen Seiten strömen Oberflächen-, vor allem aber Grundwasserströme in diese Mitte. Das Oberflächenwasser wird direkt am Ortsrand im Hofgraben gesammelt, fließt weiter in den Riedgraben und mündet schließlich in den Buchenbach. Das Grundwasser tritt unterhalb der Kirche auf breiter Front aus.

Die Häuser von Steinfeld (gemeint ist hier der einst von einer Wehrmauer umschlossene Altort) schmiegen sich an den unteren Nordwesthang des Johannesberges. Das Dorf ist zwar auf Fels gebaut, doch wenn an einer beliebigen Stelle ein Schacht durch den Muschelkalk geschlagen wurde, sprudelte reichlich frisches Wasser heraus. Je nach Lage wurde die Grundwassersohlschicht zwischen sechs und zwölf Meter Tiefe erreicht, wo in einer kiesgefüllten Kluft zu allen Jahreszeiten gutes Wasser strömte. Deshalb konnten die Steinfelder schon im Mittelalter eine beliebige Zahl von Schachtbrunnen schaffen und sich-vor allem in Krisenzeiten-unabhängig von Quellen machen, die außerhalb der Verteidigungsmauer lagen.

Einzigartig ist der Waschkeller am Fuße des Kirchberges. In einem beeindruckenden Tonnengewölbe, das Bürgermeister M. Schumann im Jahr 1889 von dem Steinfelder Steinmetz Anselm Stolz erbauen leiß, hat man zwei Quellen zusammengefasst, die an der Stirnseite austreten und den ganzen Raum mit frischem Wasser füllen. Zwei hüfthohe, wuchtige Steintische gleidern dem Raum längsseits. Dazwischen stehen die Wäscherinnen auf erhöhten Grundplatten. Dieser Waschplatz hat keineswegs nur historischen Charakter. Wie Berta Scheiner versichert, gehen sie und viele andere Steinfelderinnen gelegentlich in den Waschkeller, um zum Beispiel stark verschmutzte Jeans, Kartoffelsäcke oder einen Teppich vorzureinigen. Im Einzelfall soll selbst die empfindliche Sonntagshose des Haushaltvorstandes dort schonend mit warmer Schmierseifenlauge gewaschen und anschließend im Quellwasser ausgespült worden sein.

Von den zwölf ehemaligen Brunnenstöcken exestiert kein einziger mehr. Die Brunnenschächte wurden meist abgedeckelt, einige sogar mit Schutt aufgefüllt. Ernst Scheiner der dank seiner hervorrgenden Ortskenntnis und vor allem wegen seines Geschichtsbewusstseins über die früheren Brunnen und deren Schicksal Auskunft geben kann, führte uns während eines Schneesturms am Silvestertag 2002 zu den historischen Brunnenstandorten. Er berichtete, dass lediglich der Schulbrunnen neben dem früheren Schulhaus in einer Weise geschlossen wurde, dass men ihn jederzeit - aus welchen Gründen auch immer - reaktivieren könne. Gelegentlich genutzt werde ansonsten nur noch ein relativ junger Brunnen außerhalb des Altortes in der Urspringer Straße.

Alle Schachtbrunnen waren so genannte Pumpbrunnen. Sie besaßen einen hölzernen Aufbau, Brunnenstock genannt. Mit Hilfe eines meterlangen Schwengels konnte das Trinkwasser bequem aus der Tiefe heraufbefördert werden. Vor dem Brunnenstock stand hochkant ein quaderförmiger Brunnenstein, auf den während des Pumpvorgangs die Butte gestellt und gefüllt werden konnte. Ein aus dem Jahre 1910 erhalten gebliebenes vergilbtes Foto zeigt den Pumpbrunnen beim Anwesen Urspringer Straße 30. Von diesem Brunnen und vom Brunnen beim Busparkplatz am Kirchplatz haben die Brunnensteine die Zeit überdauert. Es ist Ernst Scheiners Verdienst, dass der sehr schöne Brunnenstein von Pumpbrunnen beim heutigen Busparkplatz als Kulturdenkmal am Kirchplatz aufgestellt werden konnte.

Während des Rundgangs durch Alt-Steinfeld kommt man an allen zwölf Brunnenstandorten vorbei. Die Brunnenschächte sind in der Regel durch Kanaldeckel erkennbar.

  1. Zwischen den Hausnummern 7 und 9 in der Karl-Bartels-Straße.
  2. Steinbrunnen, neben dem Waschkeller am Lindenplatz.
  3. Neben der Raiffeisenbank.
  4. Beim heutigen Busparkplatz.
  5. In der Sterngasse, beim Anwesen von Karl-Josef Haas.
  6. In der Urspringer Straße, beim Anwesen von Reinhard Siegler.
  7. Kernbrunnen, beim Haus Würzburger Straße 50.
  8. Beim Anwesen von Karl Ebert, früher Hanse Seppel, Rathausstraße 11.
  9. Schulbrunnen. Neben der ehemaligen Dorfschule.
  10. Schafhofbrunnen. Im Zentrum des noch heute so benannten Schafhofgebietes.
  11. In der Würzburger Straße, neben der Scheune von Arnold Herrmann.
  12. Pfarrhofbrunnen. Der Trog blieb-wenn auch beschädigt erhalten.

Darüber hinaus gab bzw. gibt es eine Reihe von Hausbrunnen, zum Beispiel beim Hirschen-Wirt oder auch bei der Mostkelterei Werner Seufert. Jedes Jahr im Frühjahr sprudeln für eine gewisse Zeit wasserreiche Quellen in den Kellern einiger Häusern im unteren Dorf. Aber das haben die Häuserbauer durchaus einkalkuliert und die Wasserströme frühzeitig kanlisiert oder irgendwie nutzbar gemacht.

Eine verschwiegene Brunnenstube au grüner Wiese auf der Talsohle, nur einen Steinwurf vonder geschlossenen Bebauung entfernt, gilt als Geburtsort aller früheren Steinfelder Kinder: der Seitenbrunnen. Eine mächtige Brunnenstube schützt die Quelle. Reichlich frisches Wasser quillt aus der Tür. Dort hat der Überlieferung nach der Storch die Steinfelder Babys geholt. Wenn die älteren Geschwister die berühmte Frage nach dem Woher der Säuglinge gestellt haben, wichen die Erwachsenen mit dieser Antwort geschickt aus. In dieser Hinsicht befanden sich aber die Steinfelder in bester Gesellschaft mit den Neustädtern, Steinbachern, Ruppertshüttenern und Rieneckern, die auch ihre "Kinnerlesbrunnen" (Bezeichnung aus Rieneck) besitzen und traditionsgemäß mit einer hübschen Geschichte antworte, anstatt ihre halbwüchsigen Kinder aufzuklären.

Aus dem Buch "Quellen - Götter - Brunnenstuben Von heidnischen Quellenkulten, Osterbräuchen und alter Brunnenherrlichkeit" Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Familie Schönmann.

Bilder

Bild vom Inneren des Waschkellers Blick auf den Eingang des Waschklellers
Auf den 2 Steintischen konnten die Wäscherinnen ihre schmutzige Wäsche waschen.
Aus 2 Quellen kommt das frische Wasser, das den Raum des Waschkellers flächendeckend füllt. Auf Karte anzeigen
Brunnenstein aufgestellt als Springbrunnen
Ein sehr schöner Brunnenstein eines Pumpbrunnens als Kulturdenkmal an der heutigen Bushaltestelle Auf Karte anzeigen