Flurnamen von Steinfeld erzählen Geschichte(n)

 

Steinfeld und Hausen im Frühjahr 2020

von Martin Loschert, 1. Vorsitzender Heimat- und Geschichtsverein Steinfeld-Hausen-Waldzell e.V.

Viele Flurnamen gehen verloren

In einer Zeit, in der Landwirte oder Lohndruschunternehmen sich auf ihren Traktoren mit GPS und Navigationsgeräten auf die Suche nach Flurstücken machen, sind sie beinahe überflüssig geworden. Früher aber dienten sie den Bauern als Orientierung und steckten ihren Besitz ab. Die Rede ist von den Flurnamen, die es in großer Fülle gab und heute fast in Vergessenheit geraten. So kennen viele Steinfelder weder ihre Namen, den Ort der Flurstücke, die sie bezeichnen noch ihre Herkunft und Bedeutung.

So gehen viele Flurnamen verloren und damit altes Wissen. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Die zunehmende Zersiedelung der Landschaft, die Zusammenlegung von Flurstücken in der Flurbereinigung, die sterbende Mundart, der Rückgang der Land- wirtschaft und die Weigerung von Gemeinderäten, neue Siedlungen nach alten Flurnamen zu benennen.

 

In den Riedwiesen. Alte Dorfansicht von Steinfeld um 1940 (Foto Franz Schaub)
Feldarbeit um 1930 (Foto Anton Herrmann)

Flurnamen sind einzigartige Quellen aus alter Zeit

"Unmittelbar aus dem Volk hervorgegangen, sind sie eine einzigartige Quelle für die Erfahrungswelt und Geisteshaltung unserer Vorfahren", sagt Reinhard Bauer vom Verband für Orts- und Flurnamenforschung (1). Sie wurden im jeweiligen Dialekt mündlich weitergegeben. "Die Flurnamen wurden vom Volk gegeben und sie haften am heimatlichen Boden. Sie geben uns Einblick in vergangene Zeiten, … sie erweitern unsere Kenntnisse über Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse vergangener Jahrhunderte, sie geben uns Einblick in des Volkes Denken und Fühlen, in seine oft zarten, oft derben Sprachschöpfungen, in seinen Glauben und Aberglauben, in seine Sitten und Gebräuche. … Sie sind lebendiges Zeugnis für Vieles, das nie den Weg auf Pergament und Papier fand“ (3).

Einteilung der Flurnamen

Flurnamen dienen dazu, den Ort, das heißt die Lage eines Flurstückes innerhalb der Gemarkung eindeutig zu identifizieren. Flurnamen unterteilt man grob in Naturnamen und Kulturnamen.

Naturnamen geben uns Auskunft über die Natur, über Pflanzen und Tiere, über die Gestalt von Bergen und Tälern, über die Art des Bodens oder die Lage und Größe einer Flur.

Kulturnamen dagegen geben uns Auskunft über das Tun des Menschen. Der Mensch bestellt die Felder, baut Dörfer und Städte, Straßen und Wege. Kulturnamen erinnern an all dies, an den Ackerbau, an Gebäude, aber auch an Ereignisse und sagen uns, wem die Flur früher gehört hat.

 

Zu den Naturnamen zählt der Flurname Wintertal.
Der Flurname Am Würzburger Bild ist ein Beispiel für Kulturnamen (Foto Pfr. Theodor Dietrich)

Mundartliche Form außerordentlich wichtig

Die Herkunft der Flurnamen (FN) kann man nur erklären, „wenn man sich mit der Zeit ihrer Entstehung auseinandersetzt[… ] Jedem Flurnamen liegt ein Benennungsmotiv zugrunde, ein Merkmal, das diesem bestimmten Ort anhaftet. Zum Zeitpunkt der Entstehung wurde dieses Merkmal mit dem damals gängigen Vokabular beschrieben. Das heißt, der Name entstand aus der vor Ort gesprochenen Mundart und wurde so überliefert und weitergegeben. Die Bedeutung des Namens blieb dabei erhalten, der Wortschatz, die Aussprache und die Schreibweise haben sich jedoch verändert.“ (wikipedia.de).

Als man im 19. Jahrhundert die Flurnamen für die Kataster schriftlich erfasste, machten mundartfremde Geometer aus Sicht der Etymologen schlimme Fehler. Namen wurden entstellt und so für die Forschung unbrauchbar, da sie in der „verhochdeutschten“ Form zu unsinnigen Deutungen führen. In dieser entstellten Form wanderten sie dann in Kataster, Karten und Grundbücher. Die Aufnahme der mundartlichen Aussprache der FN ist daher außerordentlich wichtig, da sie es uns ermöglicht, „viele in der offiziellen Schreibform entstellte FN richtig zu stellen.“ (3)

Naturnamen bezeichnen Flurstücke nach ihren naturgegebenen Verhältnissen

Geländeformen

Manche Flurnamen (FN) weisen auf die Geländeform der benannten Flurstücke hin; auf ebenes Land zum Beispiel Kohlplatte und Schindplatte. Für Bodenerhebungen stehen die FN In der Wart (mit guter Aussicht) oder Pilzberg. Dieser Steinfelder Hausberg heißt in der Mundart bülz, das aus dem niederdeutschen Wort bülte, Hügel hergeleitet wird. Auf eine gute Aussichtsfreiheit geht auch der FN Freiheitsbaum zurück.

 

Blick von der Wart auf die bülz und die Hollerstauden gegenüber.
Der FN In der Pfann kommt von seinem pfannenförmigen Gelände.

Rain bezeichnet ein Flurstück mit Hanglage, oft entlang von Wegen wie die FN Marlesrain und Lichtenrain, kann aber auch einfach Ackergrenze bedeuten. Auf Vertiefungen im Gelände verweisen Namen in der Zusammensetzung mit Grund wie Schulzengrund oder Grube (Alte Grübe). Tiefer liegendes Gelände bezeichnen auch die Weinbergsdelle, das Beslichloch und der FN In der Pfann. Der FN Am Hohlweg steht für einen Weg, der sich durch jahrhundertelange Nutzung mit Fuhrwerken und Vieh sowie abfließendes Regenwasser tief in das umgebende Gelände eingeschnitten hat. Die Klinge und die Schafshöhle (ma. schafshell) sind durch Wasser- und Schutt-Erosion entstandene kleine, schmale und gefällstarke Kerbtäler.

Lage der Fluren

Die Lage der Flurstücke wird häufig bestimmt, indem man sie mit der Himmelsrichtung in Verbindung bringt. So sind der Kalte Berg und das Wintertal nach Norden ausgerichtet. Der Heissenberg (hässe berch) zeigt nach Süden und bekommt damit mehr Sonne ab; heiß bedeutete ursprünglich auch rau, dürr, trocken.

 

Das Wintertal hat wegen seiner Nordausrichtung weniger Sonneneinstrahlung.

Um die Lage von Flurstücken und die Nähe zum Dorf noch genauer bestimmen zu können, werden auch Verhältniswörter verwendet wie bei Vordere Breitlag und Hintere Breitlag oder Innere und Äußere Holzpfadäcker. Die vorderen und inneren Flurstücke liegen dorfseits, näher zum Dorf, die hinteren und äußeren weiter entfernt, feldseits.

 

Vordere Breitlage (vürdere brätloach)

Art und Beschaffenheit des Bodens

Die Art und Beschaffenheit des Bodens drückt sich ebenfalls in den FN aus. In der Lehmgrube stößt man auf tonhaltigen und schlammigen Grund, im Gries (ma. im kriäss), auf kiesigen Boden (12). Reich im Sinne von gut, fruchtbar ist der Boden im Reichental. Für ertragreichen Boden steht auch häufig der FN Schmalzhäfele.

Wasserarmen, ausgetrockneten Boden haben die Dürren Wiesen und die Bösen Wiesen. Vom harten und schwer zu bearbeitenden Boden haben Eisengrund und Eisenrain den Namen. Auf die rote Farbe des Geländes bei tonhaltigem Boden verweisen die FN In der Röthe und Roter Rain.

 

Das Schmalzhäfele hat fruchtbaren Boden. Schmalz steht für Fruchtbarkeit.

Ausdehnung, Größe und Gestalt der Flurstücke

Viele Namen machen Aussagen über die Ausdehnung, Größe und Gestalt der Flurstücke. Das Michelfeld ist eines der größten Flurstücke in Steinfeld. Das alte Eigenschaftswort michel bdeutet hier so viel wie groß (1). Im Gegensatz dazu steht Im kleinen Flürlein für ein schmales Landstück. Die Äcker Im Breitlag (früher Breitenlohe) sind von besonders großer Breitenausdehnung.

 

Michel im FN Michelfeld (michelfaald) bedeutet groß.

Auch Feldmaße wie Morgen sind namengebend: Die 6 Morgen am Karbacher Weg und Bei den 4 Morgen. Der Morgen ist die Fläche, die an einem Morgen von einem Mann gemäht werden kann. Die außergewöhnliche Gestalt von Flurstücken erkennt man an FN wie Krummäcker, Zinkenwiese oder Spitzenrain. Bei der Lackersmauer fällt die Flur mauerartig in einen Hohlweg ins Reichental ab. In der Säul finden sich längliche Flurstücke.

 

An der Lackersmauer fällt das Gelände mauerartig in einen Hohlweg ab.

„Das Spiel der Phantasie, Scherz und Witz haben oft wunderliche FN geschaffen“ (1). So erkennt man auf den ersten Blick nicht, welche Bedeutung hinter Paukensolkiefer steckt. Hier stehen Kiefern um eine paukenförmige Sole, wo sich Wildschweine und Hirsche suhlen. Am Schlüssel der langen Hofäcker oder Am Schlüssel der Zinkenwiese sind weitere phantasievolle Namen für die besondere Form der Flurstücke.

Die Dengelsellern (ma. angelsaller) an der Gemarkungsgrenze zu Waldzell stehen auf den offiziellen Flurkarten unter dem Namen Dempelsellern (11) und sind ein typisches Beispiel für entstellte Flurnamen, die bei der Aufnahme in die Kataster von mundartfremden Geometern falsch verstanden wurden. Nur die mundartliche Form lässt auf die Herkunft und richtige Deutung des FN schließen. Ellern sind Wiesen mit schlechtem Graswuchs und das Wort Angel bedeutet so viel wie Spitze oder Haken und nimmt Bezug auf die Hakenform des Grundstücks.

Wald und Busch

Wald und Busch sind häufig in FN vertreten. Im Beslichholz (baasli) stehen vor allem Nadelbäume, aus deren dürren Zweigen man Reisigbesen herstellt, von den Steinfeldern in ihrer Mundart heute noch Baase genannt. Im Eichhölzlein erinnert an den Baumbestand vor der Rodung.

Ein kleines Waldstück befindet sich In der Hülz, ein altes Wort für Holz (1). Hollundersträuche waren ursächlich für den FN In den Hollerstauden. Das althochdeutsche Wort struot steht für Gebüsch und gab der Flur In der Strüth den Namen.

 

Das alte Wort Hülz, ein kleines Waldstück, steht für Holz.

Wildwachsende Pflanzen

Zahlreiche FN wie Buchgrund und In der Haselhecke verweisen auf den Baumbestand heute oder in früheren Zeiten. Kleine, buschige Nadelbäume nennt man Koppen und gaben den Koppenäckern den Namen. Die Koppenäcker liegen am Hofgraben.

„Borlachsholz, Barli genannt“, so steht es in einem Eintrag von Pfarrer Höpffner (8) in seiner Zusammenstellung des Pfarreizehnts von 1740 und erklärt damit, woher der FN Barli (boarli) kommt. Borlachholz ist eine alte Bezeichnung für Beerenholz. Das Barli wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts gerodet und zu Ackerland. 

Ödland

Die mundartliche Form von Eckersberg (eggersberch), ein relativ unfruchtbares Flurstück mit Hanglage, ist wohl aus dem oberdeutschen Wort Egerd, Egart entstanden. Darunter versteht man wie die Brache, ungenutztes Ackerland. Meist sind die Egerten Landstücke mit schlechtem Boden, wo es der Anbau von Frucht nicht lohnt.

 

Blick auf den Eckersberg (eggerschberch), ein Landstück mit schlechtem Boden.

Sumpf- und Wasserland

Die Riedwiesen und Riedgraben (ahd. riot) erhielten ihren Namen von Schilf und Sumpfgras. Im Briebel oder Im Pruehel (7), andernorts Brühl genannt, ist eine Wiese am Hofgraben unterhalb der Urspringerstraße. Der Name steht für sumpfige, mit Buschwerk bewachsene, nasse Wiesen bzw. für Wasserwiesen, die zur Erzielung eines guten Graswuchses aus dem Bach gewässert wurden.

Gewässer

Der FN Im Brünndl ist eine Abwandlung von Brunntal und weist auf Quellwasser hin, das bis in die 1990er Jahre als Hauptbrunnen für die Wasserversorgung von Steinfeld war.

Kaum noch in Gebrauch ist der FN Kettlesbaum (kättlesbame) unterhalb des Waldzeller Pfads. Kettwasser ist laut Vollmann „Quellwasser, das in einem Grundstück aufsteigt“ (1). In den Unterlagen des Flurnamenverbandes ist handschriftlich vermerkt: „Die Gegend am Kettlesbaum ist trocken, von einem Brunnen wissen die Leute nur insofern, als in langer Regenzeit Druckwasser erscheint“ (12).

 

Am Kettlesbaum steigt nach längerem Regen Quellwasser auf.

Wasserläufe

Von vielen Gräben ist die Flur durchzogen (u.a. Heinrichsgraben, Hofgraben, Riedgraben). Der Kimpfen- oder Kempfengraben ist eine Ableitung von Kumpf, Teich, Wassertümpel. Die mundartliche Form nawertsee für Ebersee lässt auf die Herkunft des Flurnamens schließen. Nawertsee bedeutet in der Steinfelder Mundart „neben dem See“. Mit See ist jedes stehende Gewässer gemeint. Im Ebersee staut sich heute noch nach längerer Regenzeit das Wasser aus dem Eberseegraben und bildet einen kleinen See.

 

Der Heinrichsgraben (hier am reichetoaler brückle) heißt im Dialekt henlesgroawe.

In der Waldabteilung Sulzschlag steht Salzwasser, eine Salzlecke für das Wild. Am Wehr, ein alter, nicht mehr gebräuchlicher FN am Häusener Steg, verweist auf einen Querdamm im Bachbett zum Stauen und Ableiten des Wassers. (1)

Tierwelt

Der Hühnerberg ist heute Wohngebiet. Er lag früher unmittelbar am Dorfrand und ist nach den Haushühnern benannt, die dort Nahrung suchten. Im FN Der Taubenbaum hat wohl nichts mit Tauben zu tun; das Wort taub hat die Bedeutung von unfruchtbar.

 Der FN Salomonswiese am Salomonswiesengraben bezeichnet Flurstücke, die großteils auf Waldzeller Gemarkung liegen. Hier liegt nicht der Name Salomon zu Grunde. Vielmehr ist es eine Abwandlung von Salmann, eine Bezeichnung für einen Notar oder Treuhänder des Klosterhofs Waldzell. Zum Klosterhof Waldzell der auch Salhof oder Fronhof genannt wird, gehörten neben den großen Salomonswiesen auch die Sali (saali)

 Der in vielen Orten vorkommende FN Vogel(ge)sang steht für einen Ort bezeichnen, an denen viele Singvögel vorkommen (4).

Kulturnamen geben an, was der Mensch aus der Natur gemacht hat.

Rodungen

 Die Rodung von Wäldern (roden = Entfernen der Bäume mitsamt der Wurzel) spielt für die Besiedlung unserer Heimat eine große Rolle. Mit dem Roden durch Fällen von Bäumen oder Abbrennen von Buschholz (FN Gebrannte) erweiterten unsere Vorfahren die Dorfflur, was auch zur Anlage neuer Siedlungen führte (3). Darauf ist auch der FN Hohenrod (ma. herroud) zurückzuführen, einem recht hohen Hügel. Auf Rodung geht auch der FN Lichtenrain (ma. lichte re) zurück. Landstücke, die ehemals mit Wald bedeckt waren, sind nach der Rodung licht, blank, frei von Bäumen.

 

Blick von der Bülz auf das Hohenrod (herroud) .

Ackerland

Acker bedeutete ursprünglich Weideland, wurde aber, als der Ackerbau die Viehzucht zurückdrängte, zur Bezeichnung für das Pflugland wie die Wetteräcker und Edelmannsäcker (1).

Kulturpflanzen

Auf dem durch (Brand-) Rodung (s. Gebrannte) neu gewonnenen Ackerland „wurden zuerst Haber (Haberstück), Gerste oder Hirse gebaut“ (1). Auch Weinbau wurde einst in Steinfeld betrieben. Daran erinnern die FN Weinbergsdelle und Wengertsweg. Schon in der Steinfelder Güterbeschreibung von 1663 („bey den alten Weingärtten“) werden sie erwähnt. Die Krautgärten am Riedgraben wurden in derselben Urkunde als „Capesländer“ und „Cappach“ bezeichnet, wo vornehmlich Kohl (mhd. kabez) und Gemüse angebaut wurde. Der Baumgarten oberhalb des neuen Sportplatzgeländes sowie Riethmannsgarten und Herrengarten sind Bezeichnungen für Obstgärten bzw. Streuobstwiesen.

 

Wengertsbrückle, Wengertsweg und Wengertsdelle erinnern an den Weinbau, der noch bis ca. 1840 betrieben wurde.
Krautgärten am Riedgraben am Unteren Tor 1964 (Foto Pfr. Theodor Dietrich)

Wiesenland

Wiesen sind ursprünglich „feuchtes, nasses Grasland“ (1). Die dürren Wiesen und bösen Wiesen stehen für schlechte Wiesen. Auch die sauren Wiesen an der Grenze zur Hausener Gemarkung haben „schlechte Gräser auf nassem Boden“. Im Briebel an der westlichen Dorfgrenze am Hofgraben ist abgeleitet von Brühl und Briel und bezeichnet sumpfige, mit Buschwerk bewachsene Wiesen. In den Tuchwiesen, ein heute nicht mehr gebräuchlicher Flurname für das Flurstück beim Seidenbrunnen, wurden früher die Leinentücher zum Bleichen ausgelegt. Die Webergasse führte daran vorbei.

Weideland

Als Weide nutzten die Bauern früher den Wald, wohin die Schweine auf dem Sauweg getrieben und zur Nahrungssuche (Eicheln) „abgestellt“ wurden. Daher auch der FN Saustall im Steinfelder Wald. Der alte, nicht mehr gebräuchliche FN Gaihsstall zwischen Riedwiesen und Hausener Straße verweist auf die Stelle, wohin die Dorfhirten früher die Ziegen zum Abweiden oder zur Mittagsruhe (FN Ruhecke) abstellten. Das Gleiche gilt für die Schafshöhle (ma. „schoafshell“) und Schafäcker. Unter Trieb versteht man das Treiben des Viehes auf die Weide, die auf die Weide getriebene Herde und den Weideplatz selbst (1). Daran erinnern die Flurnamen Triebrain, Kuhgasse und Blumenau.

 

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Der Schafhirte lässt die Tiere am Wasserüberlauf der Kirchbergquellen trinken (Foto Franz Schaub).
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Auf dem Zaller Pfad entlang des Triebrains wurde das Vieh zu den Weideplätze im Wald getrieben.

Gemeinde und Sonderland

Flurnamen mit dem Wort Gemeinde, so etwa Gemeindehag, bezeichnen die Allmende, das Land, das früher allen Dorfbewohnern zusammen gehörte und für unterschiedliche Zwecke benutzt wurde. Der Gemeindehag, auch Am gemeinen Hag genannt (ma. gemene hoach), war ursprünglich mit einer Hecke (Hag) umgeben.

Einfriedung und Grenzen

Überhaupt gibt es viele Flurnamen, die auf Einfriedung und Grenzen hinweisen. FN wie Point – er kommt laut Schnetz in ganz Deutschland massenhaft in den verschiedensten mundartlichen Formen vor (2) – stehen für umzäunte Feldstücke. Auch der FN Baumgarten bezeichnet einen eingefriedeten Raum, hier einen Obstgarten. Um sie vor dem weidenden Vieh zu schützen, umgab man sie wie auch die Dorfflur mit Zaun und Hecke.

Die verschiedensten FN geben Auskunft über die Art der Einfriedung: Hag (Gemeindehag), Hecke (Vorhecke, Häselhecke), Zaun (Zaunäcker). Der FN Hägtanne verweist auf einen „gehegten“ Raum, welcher „der allgemeinen Nutzung entzogen [...] ist“ (1).

Durchlässe durch die Zäune hießen Fallgatter oder Falltore (FN Falltor in Waldzell). Zaun und Dorfmauer schützten die Bewohner, ihre Haustiere und ihre Gärten auch vor Raubtieren wie Wölfen und Bären, die vor 300 Jahren noch in unseren Wäldern lebten.

Steinfeld war bis ins 19. Jahrhundert von einer Dorfmauer umgeben, die auf einer historischen Karte von 1839 zu sehen ist. Unterbrochen war sie durch Tore, die in Flurnamen ihren Niederschlag fanden: Im Osten Am oberen Tor, „vorm oberen Thor beym Wirtshaus“, im Westen beym unthern Tor undter der Brücke, im Süden Richtung Urspringen Vor dem Handelsthor. Ein viertes Tor Richtung Norden hieß hinteres Tor.

 

 

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"Am oberen Thor beym Wirtshaus": Das obere Tor an der Einmündung der Rathausstraße (früher Neue Gasse) in die Würzburger Straße am Gasthaus zum Ross war eines von vier Toren in der Dorfmauer von Steinfeld (Foto Franz Schaub um ca. 1930).

Das Krendl oder Grendel, ein Synonym für Grenze, stößt an die Laudenbacher und Stadelhofener Gemarkung. Grendel ist auch gleichbedeutend mit Riegel oder Schlagbaum (1).

Die Grenzen der Dorfmarkung waren durch Grenz- oder Markzeichen gekennzeichnet. Mark ist ein altes Wort für Grenze. Eine andere Benennung für Grenze ist Scheid. Die Waldabteilung Scheidplatte befindet sich an einer Gemarkungsgrenze.

 

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Das Krendl steht für Grenze; es grenzt u.a. an die Stadelhofener Gemarkung.

Herrschaftsverhältnisse

Eine Reihe von FN lassen noch die ehemaligen Grundherren erkennen, die als Eigentümer des Bodens von den Bauern bestimmte Abgaben und Dienste verlangten. Ihre Äcker „weisen den besten Boden auf und sind oft breiter als die schmaleren Bauernäcker. Ihr Name lautet deshalb oft Breite“ (1). Vor allem in der Gemarkung Die Breitlag (brätloach) liegen die besonders großen, breiten Flurstücke der ehemals adeligen Grundbesitzer. Im Salbuch steht hier noch der FN Breitenlohe.

Zu den herrschaftlichen Gütern zählen in der Steinfelder Flur Gräfliche Hofäcker, Fürstenläng, Edelmannsäcker, Zellerhofäcker oder Hofrain. Die Kammer deutet darauf hin, dass dieses Flurstück einer herrschaftlichen Verwaltungsbehörde unterstellt und wie die Zehntfreien Äcker von Abgaben befreit war.

 

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Namen wie Gräfliche Hofäcker, Edelmannäcker und Fürstenläng weisen darauf hin, dass diese Flurstücke zu den herrschaftlichen Gütern zählen.

Die Steinfelder hatten laut Salbuch verschiedenen adeligen Familien, Kirchen und Klöstern Abgaben zu leisten: Kottwitz zu Urspring, von Diemar, Schweygerer aus Mühlbach, Hochstift Würzburg, Closter Neustatt, Kellerey Carlstatt, Carthauss Grünau, Spithal zu Lohr, Schloss Rottenfels, Stifft Neumünster (6).

„Hube bezeichnet im späten Mittelalter ein Lehensgut, dessen Inhaber an die Grundherrschaft die Hubgült entrichten musste, auch ein zu einem solchen Lehen gehöriges zinspflichtiges Grundstück“ (1). Daraus erklärt sich der FN Hube. Die Steinfelder Güterbeschreibung aus dem Rothenfelser Sal- und Lehenbuch von 1663 nennt solche Hube (Hueb): Fritzenhueb, Dieterichshueb, Rosshueb, Hessdorfers Hueb, Heussnerhueb, Meinlichshueb, Riethmannshueb, Loschertshueb, Krugshub, Scheinershueb, Herrmannshueb, Heintzleinshueb, Rosenbergerhueb, Endresenhueb, Sendelbachshueb, Eckleshueb, Neundtlerhueb. Nach Meinung von Karl Barthels „geht die Flureinteilung in die genannten Hube tief ins Mittelalter zurück und führt uns zu den Anfängen der Steinfelder Flurmarkung. In den genannten Huben haben wir auch die ältesten Steinfelder Familiennamen vor uns, zugleich die Stammfamilien der späteren Generationen“ (8). 

 

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Von diesen Huben abgeleitet sind die heute noch bestehenden FN Fritzenläng, Krugsläng, Scheinersläng, Rithmannsgarten, Heinzelspilz und Herrmannsläng. Zu den vielen Naturalien, die man dem Grundherrn abgeben musste, gehörten auch die Hagebutten (= Hiefen). Der Hieffenzehnt war „uff Stifft Neumünster“ zu entrichten (7).

Das Land, das vorher im Allgemeinbesitz (Allmende) oder im Besitz der Herrschaft war, wurde unter allen Bürgern aufgeteilt. Dabei legte man gleich große Stücke an und verloste sie unter den Bürgern. Diese Flurstücke hießen Teile, Stücke oder Lose. Beispielhaft dafür sind die FN 30. Teil und Mehlingsstücke zu nennen. Der FN 30. Teil taucht auch schon im Salbuch von 1663 auf. Demnach „sollen Schultheiss und Caspar Meinlich den 30. Theil in die Pfarr Zehend geben ihrem Fürgeben nach“.

 

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Blick vom Laudenbacher Berg auf die Obstbäume in den Mehlingsstücken und den Kalten Berg.

Rechtsgeschichte

Den Beamten und Dienern waren von den Grundherrschaften Grundstücke zur Nutzung zugewiesen; darauf verweisen die alten FN Am Bettelmannsgraben und Bettelmannsweg in der Nähe des Seitenbrunnens. Bettel ist eine Abwandlung von Büttel im Sinne von Gerichtsdiener oder Ordnungshüter.

Gewerbliche Verhältnisse

Die gewerblichen Verhältnisse und Berufe früherer Zeiten spiegeln sich ebenfalls in vielen FN wieder. Schmied und Müller spielten in früheren Zeiten eine besondere Rolle. Der Mühlweg befindet sich unterhalb des Hohenrod, die Kohlplatte erinnert an die Stätte, wo der Schmied seine Kohlen brannte bzw. der Köhler Holzkohle als Brennmaterial herstellte. Auf die Ziegelei verweist der FN Zieglersrain. Die Schindplatte erinnert an den Beruf des Schinders, der für die Beseitigung von Tierkadavern zuständig war. Die Schindplätze befanden sich wegen der Geruchsbelästigung weit ab vom Dorf an den Gemarkungsgrenzen, wie hier die Schindplatte an der Grenze zu Waldzell. Die Webergasse erinnert an die Tuchmacher, deren Leinentücher auf den Tuchwiesen zum Bleichen, zum Aufhellen ausgelegt wurden.

 

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Auf der Kohlplatte brannte der Schmied seine Kohlen.
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Schmiede Greßer am Schafhof (Foto Franz Schaub, ca. 1930)
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Der Schinder (auch Kleemeister genannt) vergrub auf der Schindplatte das tote Vieh.

Jagd und Fischfang

Auf die Jagd gehen die benachbarten Flurstücke Bocksäcker und Wart zurück. Der FN Bocksäcker ist als „Schießstand für beigetriebenes Wild“ zu verstehen; der Jäger wartete, lauerte in der Wart auf das Wild (1). 

Wege und Stege

Auf alte Verkehrsverhältnisse verweisen Flurnamen, welche die Grundwörter Weg, Gasse, Pfad bzw. Steg und Brücke enthalten . So führten z.B. Duttenbrunner, Rohrbacher, Wiesenfelder und Karbacher Weg oder Karlstadter Pfad – meist „grasig oder bekiest“ –als Fuß- und Feldwege in die Nachbarorte. Den Judenpfad benutzten die Juden vor allem aus Wiesenfeld bei ihrem Gang zum jüdischen Friedhof in Karbach. Der Hausener FN „uff der Heerstrass“ taucht noch im Salbuch auf. Er bezieht sich auf einen frühmittelalterlichen Heer- und Verkehrsweg (7).

Als Gassen bezeichnete man meistens schmale Wege innerhalb des Dorfes. Es kann sich aber auch um Wege wie die Kuhgasse handeln, die aus dem Dorf heraus auf die Felder führen und außerhalb des Dorfes oft mit Hecken oder Zäunen eingefasst sind.

Der Weg auf den Schindersberg schindete, plagte die Menschen und Zugtiere, weil er steil und die Äcker nur schwer zu bearbeiten waren. Der Holzpfad führte die Holzmacher und Pilzsucher in die Waldabteilung Langes Holz.

Der Häusener Steg bezeichnet einen Steg über den Kimpfengraben zwischen Steinfeld und Hausen. Reichentaler Brücklein und Weinbergsbrücklein führen über den Heinrichsgraben. 

Religion und Kirche

FN mit religiösem Bezug sind in der Steinfelder Flur recht zahlreich. So werden Flurstücke häufig nach Bildstöcken benannt wie Am Würzburger Bild und Am Rothenfelser Heiligen. Zu einer Frühmessstiftung gehören die Frühmessäcker. Im Volksmund bezeichnete man den Pfarrer als Pfaffe oder als Herr im Sinne von geistlicher Herr. Pfaffenwiese, Pfaffenrain, Herrengarten, Im Evangelienbaum und Herrenwiese waren Stücke, die der Kirchenstiftung gehörten oder dem Ortspfarrer zur Erwirtschaftung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung standen. „Stiftungsgut einer Pfarrkirche“ war das Widdum, ein alter Steinfelder Flurname (7).

 

Der Bildstock am Karlstadter Weg (koarschter waag) gab der Flur den Namen Am Karlstadter Bild.
Auch der Weißbildberg hat seinen Namen von einem Bildstock (Foto Pfr. Theodor Dietrich, 1964)
Feldgeschworene sind die Hüter der Grenzen und Abmarkungen in Gemeindegebieten. Hier setzen Feldgeschworene aus Steinfeld und Rohrbach einen Grenzstein (Foto Ernst Scheiner um 1995).

Literatur, Karten, Quellen

  1. Remigius Vollmann, Flurnamensammlung, München 1926
  2. Josef Schnetz, Flurnamenkunde, München 1963
  3. Josef Huber, Flurnamen im heimatkundlichen Unterricht, München 1950
  4. Prof. Dr. Hans Ramge, Flurnamenbuch, Darmstadt, 2002
  5. Adolf Bach, Deutsche Namenkunde, Heidelberg 1953
  6. Einkommen der Pfarrei 1606, in: Karl Barthels, Steinfeld, Band 1, 1956
  7. Güterbeschreibung im Salbuch des Amtes Rothefels von 1663, in: Karl Barthels, Steinfeld, Band 1, 1956
  8. Steinfelder Pfarreizehnt 1740, in: Karl Barthels, Steinfeld, Band 1, 1956
  9. Bayerisches Landesamt für Vermessung, Historische Karte von Steinfeld (Uraufnahme), München 1839
  10. Dipl. Ing. Hans Jeitler, Flurkarte von Steinfeld und Waldzell, Goldbach, o. J.
  11. Dietlind Richter, Flurkarte mit Flurnamen, Manuskript, Steinfeld, 1948
  12. Flurnamensammlung Steinfeld, Verband für Orts- und Flurnamenforschung,  München

Alle Fotos ohne Namensangaben von Martin Loschert.

Flurkarte laminiert in DIN A3 (Rückseite mit Erklärungen zu Flurnamen) ist bei Martin Loschert erhältlich.

 

Ausschnitt aus der Flurkarte von Martin Loschert. Die Rückseite enthält Erklärungen zu den Flurnamen.